In diesen Tagen lesen wir häufig davon, dass etliche Banken ihr Filialnetz ausdünnen. Hierzu werden Standorte als nicht mehr rentabel definiert und schließlich geschlossen. Auf der Kundenseite ärgern sich immer mehr Menschen lauthals über niedrige Sparzinsen und darüber, dass sie immer weniger Möglichkeiten sehen, ihr Geld sinnvoll und sicher anzulegen. Dazu wird prognostiziert, dass es kostenlose Girokonten für Privatkunden demnächst nicht mehr geben wird. Mittlerweile haben die ersten Direktbanken und -broker, wie zum Beispiel Flatex, ihre Gebühren bereits erhöht.
Gleichzeitig schreitet der digitale Wandel mit immer größer werdenden Schritten voran. Die technischen Möglichkeiten werden immer leistungsfähiger und ausgereifter. Online-Banking per Desktop-PC ist bereits seit langem etabliert.
Haben die Banken die Digitalisierung verschlafen?
Die Gründe für das Filialsterben sind für Außenstehende, wie uns Kleinanleger, zunächst nur spekulativ. Man hat das Gefühl, dass es etablierten Finanzinstituten an einer innovativen Strategie in allen Bereichen der Kundenbetreuung fehlt. Es sind keine klaren Handlungskonzepte offensichtlich, welche den Herausforderungen der Digitalisierung gerecht werden könnten.
Viele Banken und Versicherungen verfügen über veraltete technische Voraussetzungen und eine starre und unflexible Hierarchie. Ist die Kundenberatung in ihrer jetzigen Form überhaupt noch zeitgemäß? Verantwortungsträger in Finanzinstituten verfügen häufig über ein fortgeschrittenes Lebensalter und sind daher nicht mit modernen Medien aufgewachsen. Fehlt dadurch das nötige technische Verständnis oder verblassen Innovationsgedanke und Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem mit voranschreitender Berufslaufbahn? Warum wurde innovativen Digitalisierungsideen bislang wenig Beachtung geschenkt? Fakt ist, dass die Bankenwelt sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren stark verändern wird und auch muss, denn die Kundenlandschaft entwickelt sich im Gegensatz zur Finanzbranche derzeit zügiger weiter.
Die Emanzipation des Kleinanlegers
Auf Grund vieler frei zugänglicher Informationsquellen im Internet werden wir Kunden immer aufgeklärter. Unsere Bereitschaft angebotene Standardprodukte unkritisch zu übernehmen, sinkt glücklicherweise immer mehr. Die Unzufriedenheit wächst auf Grund fehlender Offenheit der Banken uns gegenüber. Wir können keine objektive Beratung durch Banken und Versicherungen erhalten, denn vielfach müssen uns Provisionsprodukte von Partnerunternehmen der Banken angeboten werden. Es sind keine Kundenberater in Sicht, die frei und ungebunden nach bestem Wissen und Gewissen beraten können und denen für ihr Angebot die gesamte existierende Produktpalette zur Verfügung steht. Andererseits empfinden wir Finanzangelegenheiten weiterhin als unbequem und oft als uninteressant.
Umso mehr steigt unser Bedürfnis nach Produkten mit klarer und transparenter Kostenstruktur. Da uns Vertrauen weiterhin wichtig ist, ist es für uns enttäuschend dass unsere großen und bekannten Banken keine zeitgemäßen und mobilen Softwarelösungen bereitstellen.
Fast jeder Bankkunde verfügt über ein Smartphone oder Tablet und immer mehr von ihnen greifen darauf zurück, um Bankangelegenheiten mobil zu erledigen. In den kommenden Jahren wird sich der Anteil mobiler Kunden weiter erhöhen. Im Fitnessbereich hat sich ein Trend herausgebildet, alle möglichen Daten über die eigenen Aktivitäten zu sammeln und zu verwalten. Warum wird so etwas nicht im Finanzbereich von den großen Banken angeboten? Sinnvolle Funktionen, wie Analysetools oder Alarme für Aktieninvestments sucht man in Banking-Apps derzeit vergebens. Auch dem Nutzererlebnis wird keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt.
Meine Hausbank war beispielsweise im Jahre 2016 nicht in der Lage, mir eine Möglichkeit zur Verfügung zu stellen, wie ich meine Bankgeschäfte mobil sicher erledigen kann. Es gibt zwar eine App und auch eine mobile Website – beide dienen allerdings nur meiner Information. Aufträge kann ich mobil nicht vollumfänglich erteilen. Hierzu muss ich einen Desktop-PC verwenden.
Der geschilderten Entwicklung müssen sich die Finanzinstitute stellen und ihr Angebot dementsprechend ausrichten, wenn sie nicht an Bedeutung verlieren wollen. Wem es gelingt, dem Kunden die Freiheit zu bieten, seine Bankgeschäfte sicher, schnell und mobil erledigen zu können, wird erfolgreich sein. Noch ist den meisten Kunden allerdings die persönliche Beratung sehr wichtig. Diese Tatsache verschafft den Finanzinstituten etwas Zeit zu reagieren und sich neu zu positionieren.
Fintechs – Ergänzung des Bankenangebots oder sogar ganzheitlicher Ersatz?
Fintechs sind junge Unternehmen oder Start-Ups, die versuchen durch modernste Technologien bei Finanzdienstleistungen den etablierten Banken und Versicherungen Marktanteile abzunehmen. Um hohe Markteintrittshürden zu umgehen, erfolgt der Geschäftsaufbau typischerweise so, dass ohne Banklizenz agiert werden kann. Allerdings kann ohne diese Lizenz auf Grund gesetzlicher Regularien kein vollumfängliches Angebot dargestellt werden. Dies bringt den etablierten Banken ebenfalls eine gewisse Schonzeit. Vereinfacht gesagt, bieten Fintechs dem Verbraucher digitale Lösungen, mit denen sie direkt und ohne Vermittler, eine Finanzberatung in Anspruch nehmen, Geld anlegen, Kredite aufnehmen und Zahlungsvorgänge durchführen können.
Ein Trend aus den Staaten, der aktuell zu uns herüber schwappt, nennt sich „Robo Advice“. Hierbei handelt es sich um eine vollautomatisierte Vermögensverwaltung, zur Verfügung gestellt von Fintechs. Zielgruppe ist eine junge internetaffine Generation, die in finanziellen Fragen noch nicht festgefahren ist. Bislang stehe ich diesem Trend mit einer Mischung aus Neugier und einer gehörigen Portion Skepsis gegenüber. Meiner Meinung nach werden für große Vermögen weiterhin Vermögensberater die ersten Ansprechpartner sein. Das Thema Geldanlage wird weiterhin zu sensibel und wichtig sein, um es einem Algorithmus zu überlassen. „Robo Advice“ wird daher wahrscheinlich eher eine Option für kleinere oder mittlere Vermögen sein. Eine Spannende Entwicklung, die ich weiterhin aufmerksam verfolgen werde.
Das riesige Potenzial ergibt sich daraus, dass Geldgeschäfte allgegenwärtig im Leben fast aller Verbraucher sind. Der immense Rückstand der etablierten Banken in den Bereichen Komfort und digitalen Anwendungen spielt dem Wachstum der Fintechs extrem in die Karten. Durch die Entwicklungen im Bereich Big Data und Cloud-Computing, sowie die rasante Verbreitung von mobilen Internetzugängen wird die Etablierung von Fintechs weiter begünstigt.
Wohin führt die Entwicklung?
Die große Gefahr besteht für die Banken darin, den Kontakt zum Kunden völlig zu verlieren. Zwar werden die Banken weiterhin im Hintergrund bei den Abwicklungen präsent sein, jedoch bekommt der Kunde dies kaum mit, wenn er sich in Webanwendungen von Drittanbietern einloggt. Aus Sicht des Kunden wird dann der Drittanbieter der Ansprechpartner sein.
Welche Bedeutung Fintechs zukünftig erreichen können, kann man heute noch nicht sagen. Vermutlich werden sie auch nicht alle Bedürfnisse von uns Kunden in Geldangelegenheiten befriedigen können, aber ich bin sicher, dass sie durch Kooperationen immer relevanter werden.
Es besteht jedoch die Gefahr, dass hier zukünftig ebenfalls Provisionsprodukte vertrieben werden. Wie werden überhaupt die Kosten aussehen? Hinzu kommt, dass Bankenregelungen auch dem Verbraucherschutz dienen. Auf Grund der fehlenden Banklizenz unterliegen Fintechs diesen Regelungen nicht.
Du siehst, die Finanzwelt befindet sich derzeit mächtig im Wandel. Bis zu einer kompletten Neuausrichtung der bestehenden Banken werden vermutlich noch fünf bis zehn Jahre vergehen. Die Zeit auszusitzen und die Entwicklung abzuwarten, darf für dich in keinem Fall in Frage kommen. Zehn Jahre sind oft ein Drittel eines Anlegerlebens. Ein weiteres Argument keine wichtigen Anlagejahre zu verschwenden, indem du dein Geld auf Spar– und Tagesgeldkonten hortest, während du darauf wartest, dass dir andere endlich eine Lösung präsentieren.
Informiere dich, bilde dich weiter, nimm dein Geld selbst in die Hand und profitiere auf diesem Weg von allen Möglichkeiten, die dir die moderne Finanzwelt bietet und noch bieten wird. Aber verlasse dich dabei auf niemanden – außer auf dich selbst!
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Die hier vorgestellten und besprochenen Geldanlagen befinden sich teilweise in meinen privaten Depots oder auf der Beobachtungsliste. Alle Beiträge dienen lediglich der Information oder der Unterhaltung. Sie stellen ausdrücklich keinerlei Empfehlung oder Kaufaufforderung dar. Ich leiste keine rechtsgeschäftliche Anlageberatung und kann diese auch nicht ersetzen. Dies gilt für sämtliche Kommunikationswege. Bei den hier erläuterten Anlageentscheidungen handelt es sich um meine subjektive Meinung. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Geldanlagen immer mit Risiken behaftet sind, die bis zum Totalverlust führen können. Eine Haftung für eure Anlagenentscheidungen kann ich nicht übernehmen. Ihr handelt eigenverantwortlich und auf eigene Gefahr. Vor einer Anlageentscheidung empfehle ich euch die Inanspruchnahme einer professionellen Beratung.