Verkaufssaison: Ich muss nicht in jeder Marktphase Aktien kaufen

Verkaufssaison: Ich muss nicht in jeder Marktphase Aktien kaufen
© Bildagentur PantherMedia / ilixe48

Manchmal gibt es Marktphasen, in denen es keinen Sinn ergibt Aktien zu kaufen. Bei meiner langfristig ausgerichteten Strategie ist es dann klug, mein Depot auf Verkaufschancen zu überprüfen.

Diese Aussage bezieht sich ausdrücklich auf meine ganz persönliche Aktienanlagestrategie. Für euch kann eine ganz andere Vorgehensweise richtig sein. Nach welcher Strategie ich mein Geld in Aktien investiere, könnt ihr auf der Seite Aktiendepot nachlesen.

Aktuell befinden wir uns in einer Phase, in der viele qualitativ hochwertige und für mich interessante Aktien historisch eher hoch bewertet oder in der jüngeren Vergangenheit bereits sehr gut gelaufen sind. 

Wenn ich mir die einzelnen Branchen anschaue, stelle ich auch fest, dass es offenbar nur noch bei Tabak und Öl & Gas einige verhältnismäßig günstig bewertete Unternehmen zu geben scheint.

In den übrigen Branchen sind besonders diejenigen Dividendenwerte in der Mehrzahl, die sich seit dem letzten Tief bereits sehr gut erholt haben.

Die Stimmung der meisten Anleger ist tendenziell eher positiv, die Kurs Ziele werden von den Analysten immer häufiger nach oben korrigiert.

Wenn ich eine Aktie analysiere und bewusst ehrlich zu mir selbst bin, komme ich manchmal aber zu dem Ergebnis, dass die Gelegenheit zwar nicht optimal, ein Kauf aber noch vertretbar wäre. 

Bei fast keiner Aktie drängt sich ein Kauf zum jetzigen Zeitpunkt auf. Bei fast keiner Aktie sehe ich, dass wir uns in einer Situation befinden, die es in den vergangenen Jahren nie besser gegeben hat.

Für mich überwiegen in einer solchen Marktphase die Risiken.

Sollte der Aktienmarkt korrigieren, werden auch diese Aktien an Wert verlieren. Warum sollten die Marktteilnehmer gerade diese Aktien verschonen?

Der Versuchung widerstehen: In manchen Phasen ist kein Aktienkauf notwendig

Aktientipps und spannende Inspirationen für Investments erhalte ich auch in diesen Marktphasen mehr als genug. Torsten Tiedt vom Aktienfinder, Kolja von Aktien mit Kopf oder die Jungs von AlleAktien liefern täglich neuen Input. Das ist ihr Geschäft und die Inhalte sind interessant. 

Eine wichtige Erfahrung der vergangenen zehn Jahre ist, dass ich es schaffen muss, der Versuchung zu widerstehen, zu jeder Zeit diese Inspirationen aufgreifen und Aktien kaufen zu wollen. Das Urteil: „Nicht optimal, aber vertretbar“ genügt mir nicht um den Kaufbutton zu betätigen.

Natürlich könnte ich mich noch mehr bemühen und noch intensiver suchen und  recherchieren. Ich würde vermutlich auch weiterhin auf einzelne interessante Unternehmen stoßen, deren Anteile zu annehmbaren Preisen zu bekommen sind. 

Warum sollte ich meine Zeit dafür aufwenden? 

Es gibt Marktphasen, in denen ich das Gefühl habe, viel zu wenig Cash zu haben um alle Shares einzusammeln, die ich liebend gerne in meinem Depot hätte. Zuletzt zum Jahreswechsel 2018/2019.

In diesen Zeiten ist es viel einfacher die Grundlage für deutlich zweistellige jährliche Renditen zu legen. 

Im Februar habe ich noch je eine kleine Tranche Fresenius und American Tower nachgekauft und im Mai noch ein bisschen Venture Capital platziert. Das war alles was ich an Aktien in diesem Jahr gekauft habe.

Seit 2015 orientiere ich mich bei meinen Dividendenaktien an der Dividenden-Alarm-Strategie von Alex Fischer. Deren Signale haben mir bislang in allen relevanten Marktphasen eine zuverlässige Hilfestellung gegeben, wann ich am Markt tätig werden sollte. Das war Anfang 2016 so und das war auch zum Jahreswechsel 2018/2019 im Rahmen des Handelskrieges zwischen den USA und China so. Auch während der Corona-Krise  konnte ich so teilweise dreistellige Buchgewinne generieren. 

Gemäß dieser Strategie konzentriere ich mich aktuell jedoch auf den Aufbau meines Cash-Bestandes und prüfe, ob es Sinn macht, die ein oder andere Aktie zu verkaufen und meine Gewinne zu realisieren.

Durch Dividenden, Zinsen und monatliche Sparraten ist mein derzeitiger Cash-Bestand auf etwa ein Fünftel meines Vermögens angewachsen. Zum Cash zähle ich den Teil des Vermögens, der als Liquidität sofort für Investitionen zur Verfügung steht. Meine Notfallreserve und angesparte Barmittel für größere Anschaffungen sind hier nicht eingerechnet.

Aber was ist mit der Inflation?

Aber was mache ich in der Zwischenzeit mit meinem Cash? Alternative Anlageklassen sind ebenfalls teuer. Immer mehr Banken verlangen von ihren Kunden für höhere Spareinlagen Strafzinsen. Frisst die Inflation nicht mein Kapital?

Alles Bedenken sind soweit nachvollziehbar.

Ich interessiere mich für Aktien, P2p-Kredite, Rohstoffe und Immobilien. Wenn sich aber hier nirgends ein sofortiges Investment aufdrängt, warum sollte ich es übers Knie brechen mein Geld zu investieren? Nur um mein Cash möglichst schnell loszuwerden?

25.000 Euro auf einem Tagesgeldkonto würden bei einer angenommenen Inflationsrate von 3 % p.a. innerhalb von 12 Monaten 750 Euro an Kaufkraft verlieren. Das ist kein unerheblicher Betrag.

Aber es ist bei einer Anlagestrategie, die auf mehrere Jahrzehnte ausgerichtet ist, absolut kein Beinbruch.

Eine Aktie, die ich zu einem ungünstigen Zeitpunkt kaufe und die 10 % an Wert verliert, ist zwar auch kein Beinbruch, aber deutlich ungünstiger.

Ich habe kein Problem damit, Investitionskapital für mehrere Monate oder wenige Jahre auf einem Tagesgeldkonto zu parken.

Problematisch ist nur, wenn mein Cash über viele Jahre unverzinst versauert, ohne dass es dafür einen Plan gibt.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns jetzt am tiefsten Punkt der Aktienmärkte befinden und diese zukünftig nie wieder so niedrig stehen wie heute?

Bei einzelnen Aktien ist die Gefahr durchaus real, dass mir der Kurs davon läuft und ich vielleicht niemals eine Chance bekomme, die Aktie zu kaufen. Bei Apple war das zum Beispiel bislang so. Dann muss ich das akzeptieren.

Beim breiten Aktienmarkt sehe ich das Risiko jedoch als extrem gering an.

Ich lasse mich von den Medien und von anderslautenden Meinungen nicht in Aktionismus treiben, nur weil allerorts vor Strafzinsen und Inflation gewarnt wird. Die Zeiten hoch verzinster Tagesgeldkonten sind nun mal vorbei. Das ist nicht schön, aber es ist auch kein besonders großes Problem für einen Privatanleger. 

Problematisch ist es für Sparer, die sich nicht mit langfristigen Investments anfreunden wollen oder können. 

In einigen Monaten werden die Märkte wieder niedriger bewertet sein und viele heute teure Aktien sind deutlich günstiger.

Die Rendite, die ich durch deutlich bessere Einkaufspreise erzielen werde, wird den zwischenzeitlichen Kaufkraftverlust mehr als wettmachen.

Zusätzlich habe ich die Möglichkeit die Rendite meines Cash-Anteils gezielt zu optimieren. Wie ich dazu Bondora Go & Grow verwende, habe ich in einem separaten Artikel erklärt.

Also alles verkaufen um möglichst viel Cash aufzubauen?

Niemand weiß, ob die Aktienmärkte nicht zunächst noch weiter steigen oder wie lange es dauert, bis sie wieder deutlich unter den heutigen Bewertungsniveaus notieren. 

Ich muss das auch gar nicht wissen.

In Marktphasen wie diesen kommt es darauf an, dass mein Cash-Bestand grundsätzlich eher steigt und meine Aktienquote grundsätzlich eher sinkt.

Das bedeutet nicht, dass ich auf keinen Fall Aktien kaufen sollte und es bedeutet auch nicht, dass ich jetzt alle Aktien aus dem Depot werfen sollte.

Ich habe versucht, eine grundsätzliche Einstellung zu entwickeln, in manchen Marktphasen den Fokus auf die Identifizierung von lukrative Verkaufschance zu lenken.

Wenn sich dann nach der Prüfung nur vereinzelte oder gar keine Verkaufschancen anbieten, ist das völlig in Ordnung.

Meiner Ansicht nach eignet sich eine solche Marktphase ebenfalls sehr gut, um mich von Aktien zu trennen, bei denen mein Investmentcase nicht aufgegangen ist.

Je qualitativ hochwertiger eine Aktie ist, desto höher setze ich die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit ich meine Aktien hergebe. Bei Blackrock und Nestlé muss ich schon einen sehr guten Preis erzielen, um meine Anteile herzugeben. Bei BASF oder Vodafone ist die Hemmschwelle deutlich niedriger mich zu von ihnen zu trennen.

Es ist mir nicht wichtig einen Zeitpunkt zu treffen, wo sich direkt nach dem Verkauf eine alternative Investmentchance auftut. Das freigewordene Kapital muss nicht sofort umgeschichtet werden.  

Bei den Aktien, die nicht zu den größten und hochwertigsten dieser Welt gehören und die bereits lange Jahre erfolgreich wirtschaften, gibt es auch weiterhin interessante Chancen. Zum Beispiel bei Aktien, die kürzlich erst der Startup-Phase entsprungen sind. Ich denke da besonders an die Technologiebranche.

Aber mit solchen Aktien beschäftige ich mich weniger. Diese Aktien können sicherlich auch hervorragende Renditen abwerfen. Sie entsprechen nicht meiner Strategie.

In seltenen Marktphasen wie diesen, konzentriere ich mich hingegen nur darauf, ob und welche Aktie in meinem Depot zu welchem Preis abgegeben werden sollte. Wie soll sich sonst ein nennenswertes Cash-Polster aufbauen, wenn ich mir nicht die Zeit nehme, es gezielt aufzubauen? Zum Beispiel jetzt.

Wenn ich doch so genau weiß was richtig ist, warum ist meine Rendite dann nicht dauerhaft besser als der S&P 500? Weil es in der Vergangenheit nicht so einfach war, diszipliniert zu bleiben. Es ist schwerer, als es dich anhört. Nun bin ich auf einem guten Weg. 

Wie macht ihr das? Kauft ihr in jeder Marktphase oder gibt es Zeiten, wo ihr auch lieber die Füße still haltet? Ich freue mich auf euren Kommentar!

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